Angus West e.V.

Verein für Angus-Züchter und -Halter

Berichte

Reisebericht Beef Expo 2019

Johannes Hibbeln

Ein Blick über den Zaun

Die Fahrt zur Beef Expo 2019 im Nordwesten Englands begann mit Sturzbächen und einer großen Überschwemmung im Kleinenberger Sauertal. Aber dann ging alles wie am Schnürchen und über den britischen Wolken lachte die Sonne – vom Brexit keine Spur.

Ziel war die am 22./23. Mai in Kendal, Cumbria, stattfindende Beef Expo, bei der auch Gäste aus dem Ausland eingeladen und willkommen sind.

Diese Veranstaltung wird von der NBA (National Beef Association) jährlich an einem anderen Ort organisiert. Die NBA bezeichnet sich als Stimme der britischen Mutterkuh-Farmer bzw. Fleischproduzenten und koordiniert die Aktivitäten vom Genetik Export bis hin zur Fleischproduktion mit Mutterkühen. Dazu gehören neben den Zuchtorganisationen die, anders als bei uns, nur  als Rasseverbände organisiert sind, auch Hybridzucht Unternehmen. Ebenso die Futtermittelindustrie, Fleischvermarkter sowie auf den Export spezialisierte Organisationen.

Cumbria Weidelandschaft

Am ersten Tag stand eine Besichtigungs- und Informationstour auf dem Programm. Dazu waren zwei Betriebe in der Grafschaft Cumbria, einer sehr schönen Region in den englischen Midlands in der Nähe von Kendal, ausgewählt worden. Sie konnten unterschiedlicher nicht sein. Auf der Fahrt dorthin vermittelte sich der Eindruck, durch eine weiträumige, gepflegte Golflandschaft zu fahren. Mit unendlich vielen mit Sammelsteinen trocken aufgeschichteten, sich über die Hügel schwingenden Mauern, die gleichzeitig die Funktion von Weidezäunen erfüllten.

Beide Betriebe hielten ihre Schafherden zusammen mit den Rinderherden auf den einzelnen sehr großen Koppeln, welche das Geheimnis der so wunderbar gepflegt aussehenden Landschaft sein sollen.

Zunächst ging es zur NETHERHALL Farm in Kirkby Mondale. Gezüchtet wird mit Hereford- und Limousin-Pedigree Tieren. Aber, wie fast überall zu sehen, auch mit einigen Kreuzungskühen. Auf 364 ha Fläche werden Schafe und 400-500 Rinder gehalten. Der Schwerpunkt der Besichtigung lag bei den Herefords, die mit zu den besten im UK gehören sollen. Bei herrlichem Sonnenschein präsentierten sich diese Tiere auf den frischen Weiden in einem gut mittleren Rahmen mit sehr viel Typ und Fleisch. In der Farbe waren sie vielleicht etwas heller, als sie bei uns favorisiert werden. Bei der deutlich kleineren Limousin Herde die wir sahen, war nicht deutlich erkennbar ob es sich nur um Pedigree Tiere handelte. Der Einschlag von schwarzen Angus ist auch in GB bei den verschiedensten Rassen erkennbar. Alle Tiere dieser Herde, insbesondere der Bulle, fielen durch eine starke Bemuskelung ins Auge. Genauso interessant war aber noch etwas anderes: Bei jeder Herde, die wir mit drei Futterwagen als Transportmittel anfuhren, bekamen die Vertreter der über die NBA organisierten Firmen die Möglichkeit zu einem Statement.

Der zweite Betrieb den wir besuchten, die Kit Crag Farm in Selside, hat sich dem Programm der Stabiliser Cattle Company® angeschlossen. Dieses Zucht- programm hat ihren Ursprung in den USA, dem Leachmann Stabiliser Programm. Der Schwerpunkt liegt auf der Wirtschaftlichkeit. Die Stabiliser Cattle Company® ist praktisch ein Rundumbegleiter. Sie liefert die Genetik für effiziente Kreuzungszucht und kümmert sich um die Fütterung, Tiergesundheit und Vermarktung. Die Tiere auf dem ungewöhnlich gepflegt wirkenden Grünland hinterließen trotz ihrer Farbvarianz einen erstaunlich homogenen Typ.

Dieses sich für Mutterkuhhalter (Herdbuchzüchter) aus Deutschland darstellende Bild ist schon eine etwas ungewöhnliche Gegebenheit, aus der sich so manche Frage ergibt. Diese Fragestellungen wurden am folgenden Tag auf der Beef Show noch verstärkt. Neben den Ständen einiger bei uns weniger bekannten Rassen wie z.B. Lincoln Reds und South Devon, präsentierten sich die auch bei uns bekannten Rassen wie Aberdeen Angus, Galloway, Hereford, Charolais und Limousin. Oft mit dem Hinweis auf deren Kreuzungseignung, z.B. Highland Cattle => Luing,
Galloway => Blue Grey usw.

Alle Stände waren professionell gestaltet, immer mit Hinweisen auf den Schlachtkörper und dessen Vermarktung. Und so war es auch nicht überraschend, dass an dem Schauring für die Pedigree Tiere kaum Zuschauer standen, der Ring in dem ausschließlich Kreuzungsfärsen gerichtet wurden aber dicht belagert war. Die Richtarbeit begann hier mit den jüngsten Absetzern und wurde abgeschlossen mit den ältesten Färsen und der Kür der Siegerfärse. Es waren Einfachkreuzungen, aber auch Mehrfachkreuzungen in einem Ring zu sehen, alle ausgestattet mit einer sehr stark an Weiß-Blaue Belgier erinnernde Bemuskelung. Interessant war es, die Arbeit des Preisrichters zu beobachten, denn die war es im wahrsten Sinne des Wortes. Jedes Tier wurde nach einer optischen Beurteilung auch noch mit den bei uns bekannten Fleischergriffen auf Bemuskelung und Verfettung klassifiziert. Die vermeintlich besten drei wurden noch einmal dem gleichen Prozedere unterzogen und dann die Gruppensiegerin herausgestellt. So interessant die Arbeit des Preisrichters auch war, die Vorstellungskünste der, alle mit weißem Kittel bekleideten und einem Korrekturstock ausgestatteten, Ausstellerinnen und Aussteller waren schon bewundernswert und brachten des Öfteren ein Schmunzeln auf die Gesichter der Zuschauer.

Dicht belagert war auch ein Stand außerhalb der Rinderhalle, wo Martin Eccles, ein Spezialist der Fleischzerlegung, im Auftrag der AHDB Beef & Lamb (©Agriculture and Horticulture Development Board) den optimalen Zuschnitt verschiedener Steakarten demonstrierte. Neben den praktischen Demonstra- tionen gab es natürlich auch Vorträge zu den verschiedensten Themen der Mutterkuhhaltung.

Ansonsten kann man sich die Beef Expo mit ihrem Außengelände und Zelten so vorstellen wie eine Mini Euro-Tier auf lokaler Ebene mit einem großen Schwerpunkt zur Rindfleischproduktion. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Mutterkuhhaltung in GB offensichtlich einen anderen Stellenwert besitzt als in Deutschland. Darüber hinaus scheint es wesentlich effizientere, miteinander kooperierende Organisationsformen zum Wohle der Mutterkuhhalter zu geben.